Wayne Thiebaud in der Fondation Beyeler

Two Paint Cans, 1987 – Wayne Thiebaud Foundation ©starkandart.com

Eines meiner Schweizer Lieblingsmuseen präsentiert aktuell (noch bis zum 21. Mai 2023) eine große Retrospektive des amerikanischen Künstlers Wayne Thiebaud. 

Der 1920 in Arizona geborene Künstler verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Kalifornien. Dort verstarb er Ende Dezember 2021 im gesegneten Alter von 101 Jahren. Schon früh begeisterte er sich für die Malerei, zeichnete und karikierte sein Umfeld. Nach unterschiedlichsten Jobs, u. a. in den Disney Studios legte er mit seinem Kunststudium zu Beginn der 1950er Jahre den Grundstein seiner Karriere. Nach dessen Abschluss lehrte er einige Jahre und hatte in dieser Zeit namhafte Schüler. Dazu zählten u.a. Mel Ramos und, was auf den ersten Blick eher überrascht, Bruce Nauman – vor allem, wenn man sich die Oeuvres der beiden vor Augen führt. 

Bilder von links nach rechts: Jolly Cons, 2002 (Sammlung von Matt und Maria Bult), Pie Rows, 1961 (Sammlung der Wayne Thiebaud Foundation), Cake Assembly, 2005 (Privatsammlung, Courtesy Michael N. Altman Fine Art & Advisory Services, LLC)

Einem breiteren Publikum bekannt wurde Thiebaud durch seine farbenfrohen und genau orchestrierten Bilder, die in Richtung Popart verortet wurden – wenngleich das nicht unbedingt im Sinn des Künstlers war. Seine Stillleben und Porträts zeigen eine minimalistisch angehauchte Klarheit, die mich mitunter an die Farbfeldmalerei großer abstrakter Expressionisten erinnert. Lässt man sich auf die Betrachtung einiger Werke ein, fühlt man sich bei längerem Hinschauen in die Bilder hineingezogen. Ich nenne das den „Mark Rothko-Effekt“, da auch er es verstand, den Betrachter förmlich in seine Bilder hineinzuziehen und zu „hypnotisieren“: Was auf den ersten Blick eindeutig erschient, verliert sich bei genauerem Hinsehen in eine faszinierende Tiefe und unglaublich reiche Farbwelt. 

Bilder von links nach rechts: Ponds and Streams, 2001 (Fine Arts Museums of San Francisco, Museumsankauf, Schenkung von Richard N. Goldman, 2001), City Views 2004 (Courtesy The J. David Gladstone Institutes, San Francisco), Blue Ridge Mountain, 2010 (Sammlung der Wayne Thiebaud Foundation)

Irritierend waren für mich einige seiner Landschaftsbilder, da sie perspektivisch jeder Ordnung widersprechen. Ganz im Gegensatz zu ordentlich aufgereihten Torten und Cupcakes, Spielautomaten etc., ansprechenden Porträts und nicht zuletzt Mickey Mouse. Interessantes Detail des kleinen Porträts der wohl bekanntesten Maus der Welt: Ihr Schatten gleicht einer Filmkamera – eine Hommage an seine Zeit bei Disney?!

Mickey Mouse, 1988, Privatsammlung, Courtesy Acquavella Galleries ©starkandart.com

Sein präziser Pinselstrich, die bunte, aber dennoch eindeutige Farbwahl und die klaren Motive mit genau definierten Schatten, stilisierten sich schließlich zu einem signifikanten Erkennungsmerkmal des Künstlers. 

Die Fondation Beyeler zeigt 65 Werke, zum Teil aus privaten Sammlungen, die die ganze, wunderbare Bandbreite und den „American Way of Life“ von Thiebauds Schaffen widerspiegeln.

FONDATION BEYELER 
Baselstrasse 101
CH-4125 Riehen/Basel
Tel. +41 61 645 97 00
Fax +41 61 645 97 19
info@fondationbeyeler.ch

ÖFFNUNGSZEITEN:
Montag bis Sonntag 10–18 Uhr 
Mittwochs 10–20 Uhr 
Freitags 10–21 Uhr
365 Tage im Jahr (auch Feiertage)

Eintritt: ab 25 Franken/Euro

Besinnlich, sinnlich und sehr humorvoll: „Die Kerze“ im Museum Frieder Burda

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Oda Jaune, Untitled, 2011, ©starkandart.com

Passend zur dunklen Jahreszeit erhellt eines meiner Lieblingsmuseen, das Museum Frieder Burda in Baden-Baden, die Kunstlandschaft des Südens mit dem Licht der Kerze. Viele namhafte zeitgenössische Künstler von Gerhard Richter über Marina Abramović, Thomas Demand, Jörg Immendorff, Oda Jaune (siehe links), Jeff Koons, Alicja Kwade, A. R. Penck, Thomas Ruff, Georg Baselitz u.v.a. mehr, haben dort ihre Spuren mit teils eigenwilligen und immer wieder bezaubernden und überraschenden Versionen einer Kerze hinterlassen.

Ausgangspunkt der von Helmut Friedel kuratierten Ausstellung ist „Die Kerze“, von Gerhard Richter. Insgesamt sind über 50 Gemälde, Skulpturen, Video- und andere Installationen sowie Fotografien zu sehen – vom Who’s Who der Kunstwelt.

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Gerhard Richter, Die Kerze, 1982 © starkandart.com

Wer weihnachtliche Stimmung erwartet – weit gefehlt. Zum Glück. Denn das, was es dort zu sehen gibt, ist äußerst erhellend und spannend. Versehen mit einem andern Blick auf einen jahrhundertealten Gebrauchsgegenstand, dessen eigentlicher Zweck, Licht ins Dunkel zu bringen, in unseren Breitengraden schon lange nicht mehr in diesem Sinn gebraucht wird.

Besonders beeindruckend fand ich die Serie von Karin Kneffel (oben), einer Schülerin Gerhard Richters, die sich, wie Richter bei seinem Werk, in ebenfalls 100 x 100 cm messenden Bildern selbstbewusst und zauberhaft an die kreative Spur ihres Meisters heftet.

Die Kerze zeigt sich modern und, ja doch, teils besinnlich, aber auch poetisch. Meines Erachtens ist dies Nam June Paik mit einer zauberhaften Installation im Untergeschoss, genannt „One Candle“, 1988/89, besonders gut gelungen:

Doch es wird auch humorvoll – ganz klar, hier hat Jeff Koons knallbuntes Monumentalwerk Candle, von 2001, die Nase vorn, aber auch Jörg Immendorffs liebevolles „Negerchen mit Kerze“, von 1966. Wild und mitunter ganz schön sexy zeigen sich Werke u.a. von A.R. Penck oder Eric Fischl. Eine kleine Auswahl des Gezeigten gibt es hier:

In den hellen und klaren Räumen des Museums wird mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit viel Entdeckenswertes sowie einiges zum Staunen und zum Schmunzeln gezeigt. Grund genug, um sich auf die Reise zu machen und um die Kerze als Gegenstand oder Sinnbild in einem neuen Kontext für sich zu erfahren.

Ein ungewöhnliches Motto wurde hier auf leichte und kunstsinnige Weise interpretiert.

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Den Begleitkatalog zur Ausstellung kann ich ebenfalls sehr empfehlen. Er bietet einen wunderbaren Überblick dessen was gezeigt wird und ist unter diesem Link auch direkt im Shop zu bestellen, Kostenpunkt: 38,00 Euro. Darin wird u.a. das Thema, die Geschichte der Kerze in der bildenden Kunst, mit Beispielen der alten Meister bis hin zu Ernst Ludwig Kirchner und dem genialen Pablo Picasso von Katrin Schwarz und Georges Sturm, beschrieben und aufgezeigt. Und natürlich sind alle Exponate mit ausführlichen Beschreibungen zum jeweiligen Werk enthalten. Ein Buch, das man wirklich gerne zur Hand nimmt.

Ich finde, es ist eine wunderbare, vom Umfang her auf den Punkt kuratierte Ausstellung, die man mit Genuss erkundet und die ich jedem, der in Baden-Baden oder Umgebung weilt, nur wärmstens ans Herz legen kann. Und natürlich ist der Südwesten Deutschlands sowie immer einen Ausflug oder eine Reise wert.

Die Ausstellung geht noch bis zum 29. Januar 2017!

Museum Frieder Burda
Lichtentaler Allee 8b

76530 Baden-Baden

Öffnungszeiten:
Di. bis So., 10.00 bis 18.00 Uhr – an allen Feiertagen geöffnet!